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Ludwig und das Nashorn

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Eine philosophische Gute-Nacht-Geschichte von Noemi Schneider Mit Illustrationen von Golden Cosmos Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Durchführung der Bilderbuchwerkstatt: Elisa Bauer und Helen Naujoks Ich sehe was, was du nicht siehst Wer ist Ludwig? Und wer war Wittgenstein? Einer, der Philosoph werden will und einer, für den Philosophie das Leben war. Beide teilen, dass sie ihr Wissen hartnäckig gegen die Älteren verteidigen. Ludwig gegenüber seinem Vater und Wittgenstein gegenüber seinem Lehrer. Mit ihm stritt dieser nämlich darüber, dass sich nicht beweisen lässt, dass kein Nashorn im Raum ist. Und dieses Nashorn ist dann auch zentrale Figur in dem genialen Bilderbuch, für dessen Bilder das Künstlerduo Golden Cosmos aus drei Farben sieben zauberte und digitale wie analoge Zeichnungen mit Druckgrafik zu leuchtend-knalligen Szenen kombinierte. Das Spiel mit Perspektivwechseln, Dingkulturen und Interieur verstärkt dabei die immer wieder neue Suche nach dem Nashorn: unter dem Bett, hinter der Tür, im Schrank, unter dem Schreibtisch … Für Ludwig ist das Nashorn da, keine Frage! Für den Vater hingegen ist es nicht anwesend, noch nicht einmal in dem Moment, in dem er, Haare raufend, auf seinem Hinterteil Platz nimmt oder das Fernglas an sein Horn hängt. Das Fernglas leitet auch das Gespräch über den […]
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Drei Ziegenböcke namens Zack

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Nacherzählt von Mac Barnett und illustriert von Jon Klassen Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Durchführung der Bilderbuchwerkstatt: Helen Naujoks, Elisa Bauer, Nadja Hillers, Ines Saydan Anders als erwartet Ein Troll lebt hungrig unter einer Brücke und ein Ziegenbock könnte ein gefundenes Fressen sein. Denn: „Ziegen sind meine Lieblingsspeise. Ich fresse sie auf meine Weise: Ziege an Schneckentunke. Ziege sautiert mit Unke, Ziege mit Ziegenkäse …“, lässt Mac Barnett den grollenden Protagonisten sprechen. Und wieder sind es die Blickbewegungen und -begegnungen Jon Klassens, die, wie aufs Papier gezaubert, die Dramaturgie seismographisch begleiten: mal erwartungsvoll und entschlossen, und dann wieder erschrocken, … das Spektrum, das Jon Klassen mit minimalen Veränderungen der Pupillenform auf dem oder besser im „Kasten“ hat, ist unendlich. Sein künstlerischer Background in der Animation ist dabei unverkennbar. So sind es scheinbare Kleinigkeiten, wie ein aufgestelltes Haar, eine eingeknickte Blume oder eben eine kaum merkliche Verlagerung oder Aufweitung der Pupille, die die Sequenzen mit Spannung aufladen. Wie in früheren Bilderbüchern findet auch diese Geschichte, die auf einem alten norwegischen Märchen beruht, unter „freiem“ Himmel statt. Klassen beherrscht es dabei meisterhaft, diesen in seinen aquarellierten Zeichnungen atmosphärisch einzustimmen, sei es, indem er diesen mit Licht durchflutet oder an anderer Stelle […]
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Das Gänsespiel

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Das Gänsespiel Meine Kinderjahre im Internierungslager auf Java von Anne-Ruth Wertheim Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Und schlagartig änderte sich alles! Anne-Ruth Wertheim ist in Indonesien aufgewachsen, das zu dieser Zeit lange eine Kolonie der Niederlande war. Als die Japaner 1943 das Land besetzten, kam sie mit ihren Eltern und beiden Geschwistern in ein japanisches Internierungslager auf Java. Damals war sie acht Jahre alt und ihr Leben und das damit verbundene Streben und Wünschen änderten sich schlagartig. Das Gänsespiel, das die Mutter damals im Lager für ihre Kinder herstellte, steht als Würfelspiel nicht nur für einen Zeitvertreib während der endlosen, öden wie existentiell bedrohlichen Stunden im Lager. Es lockt gleichzeitig mit seinen »Hauptprotagonisten«, den Gänsen, sowie seinem zentralen Bild, dem Zuhause, Erinnerungen an eine behütete und weitgehend glückliche Kindheit hervor. So erinnert sich Anne-Ruth an das Haus auf Java, in dem die Familie wohnte. Oft fütterte sie an dem benachbarten Teich mit ihrem jüngeren Bruder Hugo und ihrer älteren Schwester Marijke die Enten. Und stets versuchte eine Gans die Brotkrummen wegzuschnappen. Steht dieses Motiv bereits als Vorbote für den mit dem kommenden Leid verbundenen Hunger? Gänse, wie das frühere Zuhause, sind auch auf den Spielfeldern des Brettspiels abgebildet, das […]
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Schneelöwe

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von Heinz Janisch und Michael Roher Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Durchführung der Bilderbuchwerkstatt: Helen Naujoks und Elisa Bauer   Metamorphosen aus dem Kugelschreiber Wir alle haben ein Tier in uns. Dieses wissen nicht nur der Protagonist, sondern auch der Illustrator und Autor des Bilderbuches »Schneelöwe«. Denn so lässt sich mehr hören, sehen, riechen, tasten und schmecken! Gäbe es keinen Schneelöwen, könnten die Kleinen nicht beschützt werden, wenn die Großen sie bedrängen. Und genau diese Erkenntnis vermitteln uns die exorbitanten Kugelschreiber-Zeichnungen Michael Rohers kongenial mit Heinz Janisch eindringlich pointierter wie sinnlich dichter Erzählung aus der mutig-rebellisch ausgestalteten Ich-Perspektive. So sucht die blaugestrichelte Ästhetik ihr Gegenüber in scherenschnittartigen Silhouetten und verwandelt Menschen in Tiere und umgekehrt – »als Kinder und Erwachsene verkleidet, versteht sich«. Die blausatten Bilder laden uns als Betrachtende dabei ganz unverblümt ein, in die grafischen Metamorphosen einzutauchen, die nicht nur innere Stärke, sondern auch Toleranz bedeuten. »Allein in unserer Schule gibt es einen Tiger, zwei Zebras und drei Giraffen. Aber wir lassen einander in Ruhe«, untermauert diesen Fakt der Protagonist alias Schneelöwe. Die Verwandlungsprozesse kommen Seite für Seite über anthropozoomorphe Gestaltungen wie Schattenbilder und Projektionen ins Bild. Und schließlich werden wir eingeladen, fein ausdifferenzierte Darstellungen von Tieren […]
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Sally Jones und die Schmugglerkönigin

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Sally Jones und die Schmugglerkönigin von Jakob Wegelius Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Eine Abenteuerreise in die Untiefen des Menschlichen Sally Jones, ein – mittlerweile berühmter – Gorilla, meistert ein neues Abenteuer! Von Jakob Wegelius in Text und Bild ins Leben gerufen, kam Sally Anfang des 20. Jahrhunderts auf abenteuerlichen Wegen nach Europa, wie das Buch »Sally Jones – Eine Weltreise in Bildern« (2009) erzählt. Gemeinsam mit dem finnischen Seemann Henry Koskela bereist sie als Maschinistin auf einem kleinen Dampfer, der »Hudson Queen«, die Meere. Ein Gorilla? – mögen sich die Einen oder Anderen fragen. Warum nicht? Sally Jones ist eine begnadete Maschinistin und vor allen Dingen zupackend wie einfühlsam! Die Gorillafrau kann nicht nur lesen, schreiben, rechnen, Dampfmaschinen warten und bedienen, sondern auch Musikinstrumente reparieren. Nur sprechen kann Sally nicht. Und das hat vielleicht auch sein Gutes. Auf den ersten Blick, nicht der Norm entsprechend, wird Sally unterschätzt und weiß dieses für sich und vor allen Dingen für andere mit klarem Verstand zu nutzen. Vielleicht hat das Nicht-Sprechen-Können auch die Ausbildung ihrer scharfen Sinne und bewundernswerten Fähigkeit zur Empathie gefördert, die ihr immer wieder helfen zu überleben. Denn ihr Freund und Beschützer, Henry Koskela, liebevoll auch der Chief […]
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Bilderbuchzelten

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Bilderbuchzelten Zu Inszenierungen zeitgenössischer Bilderbücher Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Was kann ich tun, wenn ich keinen eigenen Ort habe, um in Ruhe Bilder zu betrachten und zu lesen? Was kann ich unternehmen, wenn meine Eltern, die Erzieher*innen oder die Lehrer*innen mich an einen Ort schleppen, zu dem ich ohne sie keinen Zutritt hätte? Und was kann ich machen, wenn ich Lust habe, in andere Welten einzutauchen? – – – Zelten! Was auf den ersten Blick vielleicht ein wenig naiv anmutet, ist aufrichtig ernst gemeint! Das Zelten bringt einen an andere Orte, und schafft gleichzeitig eigene Räume. Zelten ist temporär und mobil. Zelten hält einen beweglich. Das Zelten schafft also wunderbare Möglichkeiten, eigene Orte in von Erwachsenen dominierten Räumen zu markieren und diese gleichzeitig zu nutzen, um mobile Bibliotheken zu bauen und in Bilderbuchwelten einzutauchen. Wurf- oder sogenannte Pop-up-Zelte potenzieren die genannten Möglichkeiten, denn bei diesen Zelten handelt es sich um vorfabrizierte Hüllen, verpackt in Rucksäcken, die sich durch eine Wurfbewegung ortsunabhängig aufschlagen lassen. Die Wurfzelte unterstützen darüber hinaus durch ihren Ready-made-Charakter eine Fokussierung auf das Bilderbuch. (vgl. Winderlich 2021) Ist im Rahmen von Wandertouren oder Camping klar, welche Dinge in ein Zelt gehören, stellt sich die Frage der […]
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Bild Blick Stadt

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Zeitgenössische Bilderbücher und ihre forschenden Zugänge zum Öffentlichen Raum Text: Kirsten Winderlich Repros: Elisa Bauer Zeitgenössische Bilderbücher können uns über ihre jeweilige spezifische Ästhetik neue Sichtweisen auf bekannt Geglaubtes eröffnen. Die Autorin hat für ihren Beitrag drei Bilderbücher ausgewählt, die Vorschläge machen, wie Kinder sich mit ästhetischen und künstlerischen Verfahren forschend mit Stadt und Öffentlichen Raum auseinandersetzen können. Sie zeigt anhand der Bilderbücher »One Afternoon« (Hsin-Yu Sun), »Unsichtbar in der großen Stadt« (Sydney Smith) und »I love my India. Stories for a city« (Avinash Veeraraghavan), welche Impulse und Verfahren sich aus der jeweiligen Bilderbuch-Ästhetik heraus entwickeln lassen. Stadt ist, wo Menschen sind (Jochen Gerz) Wenn »Stadt ist, wo Menschen sind« (Gerz 2001), kann der Öffentliche Raum als (Ver-)Handlungsraum von Gemeinschaft verstanden werden. Er zeichnet sich durch zahlreiche Perspektiven und Möglichkeiten der Positionierung aus. Nach Hannah Arendt zeichnet sich der Öffentliche Raum in diesem Sinne durch die Gelegenheit aus, sich zu versammeln und sich gegenseitig unter Berücksichtigung der jeweiligen Positionen wahrzunehmen und auszutauschen (vgl. Arendt 1967, S. 71). Neben dem Versammlungsort ist der Öffentliche Raum auch als Bewegungsraum zu begreifen, von dem aus Stadt bzw. ihre konstituierenden Elemente, wie Gebautes, Zeichen sowie Interaktionen, erfahrbar werden. Hieran anknüpfend ist für Michel de […]
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Zin
Ein Bilderbuch aus dem Libanon

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von Hassan Zahreddine Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer   Zwischen Verwundbarkeit und Selbstbehauptung Hassan Zahreddine erzählt mit seinem Bilderbuch Zin die Geschichte eines Kindes, das erfährt, was es bedeutet, lesen und schreiben zu können und über diese Fähigkeiten für seine Rechte einzustehen. Es ist die Geschichte des eigenen Vaters und damit auch Zahreddines eigene, der er durch Skizzierung von Momentaufnahmen nachspürt und durch das Mezzotinto-Druckverfahren hervorlockt. „Dazu habe ich Verborgenes aus seiner Kindheit ausgegraben und auf dünne Kupferplatten geschabt“, schreibt Zahreddine im Nachwort. Diese persönliche Erinnerungsarbeit mit dokumentarischem Duktus vermittelt Zahreddine über die überwiegend dunkel sowie in Braun- und Grautönen gehaltenen Bilder. Der Vater des 1969 geborenen Künstlers, Zineddine, ging nicht zur Schule. Weil die Familie kaum etwas zu Essen hatte, half er in einer Druckerei aus und lernte dort durch das Setzen der Buchstaben lesen und schreiben. Aus Zineddine wurde Zin, denn der vollständige Name hatte nach Ansicht des Meisters zu viele Buchstaben. Die Reduktion seines Namens zur Kurzform, die im ersten Moment als ein Kleinhalten des Jungen interpretiert werden kann, steht im Verlauf für Zins kontinuierliche Selbstermächtigung. Durch das Erlernen des Druckhandwerks sowie des Lesens und Schreibens wächst Zin über sich hinaus. Der Meister sprach ihm dabei […]
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Nicky & Vera

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Ein stiller Held des Holocaust und die Kinder, die er rettete Ein Bilderbuch von Peter Sís Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Die Geschichte von Nicky und Vera wäre fast nicht erzählt worden! Der Engländer Nicky, mit vollständigem Namen Nicholas Winton, hat 669 jüdische Kinder vor dem Holocaust gerettet. So auch Vera Gissing, die 1939 ihre Familie verlässt und mit Hilfe von Winton nach England flieht. Ihren beiden Lebensgeschichten widmet sich Peter Sís in seinem feinsinnigen Bilderbuch und erzählt diese, miteinander verwoben, in Anlehnung an historisches Bild- und Kartenmaterial bei gleichzeitiger Fokussierung des jeweils individuellen Erlebens, Denkens und Handelns. Dabei gelingt es ihm das Leid, das Menschen jüdischer Herkunft im Nationalsozialismus widerfahren ist, zum Erscheinen, und gleichzeitig den Mut von Einzelpersonen, sich den Nazis entgegen zu stellen, zum Ausdruck zu bringen. Als »Stille Helden« würdigt Peter Sís diese Personen und beschreibt Nicholas Winton als einen Menschen, der »sah, dass etwas falsch lief, und etwas tat, um es zu korrigieren, aber nie für sich in Anspruch nahm, ein Held zu sein«. (Peter Sís) Wie in einer zeichnerisch-kartografischen Forschungsarbeit geht der Künstler den Folgen des Nationalsozialismus über Mappings, Bildschichtungen wie Bildsequenzen nach. Er tut dabei im Grunde genau das, was Grete Djelstrup […]
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DIE SOMMERGÄSTE
LAS VISITAS DEL VERANO

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DIE SOMMERGÄSTE LAS VISITAS DEL VERANO Ein Bilderbuch aus Uruguay von Matías Acosta Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Inmitten einer kargen, flachen Landschaft vor einer Gebirgskette, dargestellt mit malerischen Mitteln und frottageähnlicher Wirkung, lebt ein Mann, einsam und gleichzeitig eins mit sich. Unter einem den Jahreszeiten entsprechend atmosphärisch gestimmten Himmel wohnt er in einem einfachen, mit Brettern beschlagenen Holzhaus. Ein stets aufgeblähter rot-weiß gestreifter Windsack und ein Hangar mit Tonnendach aus schon leicht rostigem Wellblech lassen erahnen, dass der Mann über Flugerfahrung verfügt. Nachdem die ersten beiden Bilddoppelseiten uns ein Panorama auf die Landschaft eröffnen, wird unser Blick auf der Folgeseite mittels einer Nahansicht auf den Mann gerichtet, der uns aus dem Fenster direkt anzuschauen scheint. Wir lesen, dass der Sommer gerade begonnen hat und der Mann von lauten Rufen geweckt wird, die lautmalerisch im Bild erscheinen und durch die in der spanischen Sprache typische Setzung der Ausrufezeichen eine zusätzliche Rahmung erfahren. »¡ÄN-ONG! ¡ÄN-ONG!« Die Gänse steigen dem Mann buchstäblich wie bildhaft aufs Dach. Gar nicht einverstanden ist er anfänglich mit ihrem Besuch. Ein Dialog der Gesten zwischen neugieriger und erwartungsfreudiger Annäherung von Seiten der Gänse und abwehrender, drohender und scheuchender Gebärden des Mannes beginnt. Doch nichts hilft. Die […]
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