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EMMA UND DER TRAURIGE HUND

Emma und der traurige Hund Sabine Rufener Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Ein Hund, gezeichnet mit struppig-wirrem, dunkel grundiertem buntem Strich, steht im Regen, platschnass und müde und begegnet in diesem Zustand Emma, die – ganz im Gegensatz zu ihm – unter ihrem sonnengelben Regenschirm vergnügt barfuß durch das belebende Nass hüpft. Sie schaukelt mit Schwung und reckt sich gen Himmel. Der Hund jedoch liegt schlaff auf der Schaukel ohne erkennbare Anteilnahme und lässt den Kopf hängen. Eine Schaukel wäre keine Schaukel, würde sie nicht intrinsisch motiviert ins Schwingen gebracht. Sie steht damit für Bewegung, Beweglichkeit wie Mehrperspektivität. So schlägt Emma fröhlich Purzelbäume, der Hund hingegen bleibt erstarrt und resigniert. Nichts scheint ihn davon zu überzeugen, dass das Leben lebenswert sein kann. Emma lässt sich jedoch nicht beirren und versucht den Hund für die leichten und fröhlichen Seiten des Lebens zu sensibilisieren, sich die Regentropfen auf der Zunge zergehen zu lassen, das lauthalse Singen zu zelebrieren oder sich beim Fußballspiel bis zur Glückseligkeit zu verausgaben. Keine Idee, kein Vorschlag und kein Impuls scheinen bei ihm anzukommen. Vielmehr versanden diese in Sprach- und Hilflosigkeit. »›Nun gut‹, unterbrach der Hund schließlich die Stille und seufzte geräuschvoll, ›das hat mich jetzt nicht […]
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SARA LUNDBERG ZU GAST IN DER GRUNDSCHULE DER KÜNSTE

Ein Workshop zum Bilderbuch »Der Vogel in mir fliegt, wohin er will« von Sara Lundberg im Rahmen des internationalen literaturfestival berlin (ilb) 2024 Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Leicht mit Wasser gefüllte Aquarien simulieren in der Grundschule der Künste einen Bachlauf von einem Raum in den anderen. Darin liegende Tonklumpen erinnern nicht nur an eine Schlüsselszene aus dem Bilderbuch »Der Vogel in mir fliegt, wohin er will« der schwedischen Künstlerin Sara Lundberg, sondern laden ein, eigene Vögel zu formen und sich in das innere Erleben der Protagonistin einzufühlen. So war es für Berta Hansson (1910-1994) als Kind im dörflichen Hammerdal ein besonderes Erlebnis in einem Bach das erdige Material zu entdecken und mit diesem schöpferisch tätig zu werden. Nicht selbstverständlich, denn für Kinder gab es damals keinen Freiraum, Kind zu sein, das heißt zu spielen und eigenen Interessen und Leidenschaften nachzugehen. Für die Mädchen war darüber hinaus vorgesehen, nach ihrer nur vier Jahre dauernden Schulzeit auf dem elterlichen Hof zu arbeiten und der Familie den Haushalt zu führen. Das Bilderbuch erzählt mit poetischer Wucht in Bild und Text von der schier unerreichbar erscheinenden Sehnsucht Berta Hanssons, Künstlerin zu werden. Die beklemmende und gleichzeitig beeindruckende Biografie wird dabei von der […]
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Caminar el tiempo

Caminar el tiempo Spore Initiative / Mariana Alcántara (Ill.)* Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Repros: Elisa Bauer und Helen Naujoks Vor mir liegt ein malerisches Buch, das sich, nach allen vier Seiten aufgeklappt, als ein prächtiger, saftgrüner Baum entpuppt, in dem eine farbenfrohe Vogelwelt den nahenden Regen besingt. Ich öffne eine Schatzkiste, die, gefüllt mit dem einzigartigen tradierten Wissen der Maya, Einblicke in eine seismographisch motivierte Beobachtungweise von Klima und Wetter gibt. In der Sprache der Mayas heißt diese Gabe, seine Umwelt auf spezifische Signale hin wahrzunehmen, zu interpretieren und entsprechende Maßnahmen für die Pflege ihrer Samen und Pflanzen zu treffen, »xook k’iin«. Es handelt sich dabei um eine tief verwurzelte Tradition, mit der Vielfalt der Umgebungen und Arten in Beziehung zu treten. »xook k’iin« beruht also auf einem erfahrungsbasierten und spirituellen Umgang mit der Natur, dessen Erkenntnisgewinn von Generation zu Generation weitergegeben wird. Dank des Bilderbuches, das von der Spore Initiative in gelebter Kooperation mit der Schule für ökologische Landwirtschaft (Escuela de Agricultura Ecológica U Yits Ka’an) und diversen weiteren Akteur:innen indigenen Wissens entwickelt wurde, kann dieser nun auch über die Halbinsel Yucatán hinaus weitergegeben werden! Vor mir warten 24 Karten mit mehrschichtigen Malereien, Ausschnitte und Details der […]
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테트릭스 / Tetrix

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테트릭스 / Tetrix 오세나 / Osena Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Konzept der Bilderbuchwerkstatt: Elisa Bauer, Helen Naujoks und Kirsten Winderlich Durchführung: Elisa Bauer, Helen Naujoks, Gaspar Scholl Chafirovitch und Kirsten Winderlich Samen, Blätter und Blüten fallen vom Himmel. Langsam wächst ein Wald, fast wie von selbst. Aus einem Tropfen Wasser, der mit zunehmender Nähe zum Boden wächst, entsteht ein tümpelartiges Gewässer. Beste Voraussetzungen für den Einzug von Tieren, die als graue Silhouetten, teilweise kopfüber, vom oberen Bildrand einfliegen. Im Urwald angekommen, strahlen sie in Form weißer Silhouetten aus den grün-blau gehaltenen, mehrschichtig angelegten Druckgrafiken und markieren durch ihre Inversität gleichzeitig eine Leerstelle. Wir befinden uns auf Level 1 »GROW«. Damit ist spätestens klar, dass das Computerspiel »Tetris« Einfluss auf die Bilderbuch-Ästhetik Einfluss genommen hat. »Tetris« wurde 1984 von dem russischen Programmierer Alexei Paschitnow auf einem Elektronica-60-Rechner entwickelt. Es handelt sich um ein puzzleartiges Computerspiel, bei dem die vom oberen Rand herunterfallenden Tetrominos, Vierer-Baustein-Varianten, in 90-Grad-Schritten gedreht und von der Mitte nach links und rechts verschoben werden müssen, so dass sie am unteren Rand möglichst lückenlose Reihen bilden. Das Spiel endet, wenn sich die lückenhaften Reihen bis zum oberen Spielfeldrand aufgetürmt haben. Es ist jedoch nicht nur das Computerspiel […]
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Kintsugi

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Kintsugi Issa Watanabe Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Konzept der Bilderbuchwerkstatt: Kirsten Winderlich Durchführung: Elisa Bauer und Helen Naujoks unter Mitarbeit von Gaspar Scholl Chafirovitch Der Titel des Buches »Kintsugi« verweist auf eine japanische Technik der Restaurierung, bei der die Risse und Brüche durch das Auftragen einer Mischung aus Harz und Gold sichtbar bleiben. »Kintsugi« ist demnach nicht nur eine Praxis, bei der etwas zusammengefügt wird, sondern auch als eine Haltung zu verstehen, in der das Sichtbarlassen von Verletzung und Wunden auf etwas Neues verweist bzw. Neues zum Leben erweckt. In Anlehnung an die japanische Restaurierungskunst erzählt Issa Watanabe in ihrem Bilderbuch von der Unmöglichkeit eines spurenlosen Einklangs zwischen Menschen und Natur. Sie entfaltet ihre Parabel dabei entlang von drei gewaltigen Naturbildern. So hat sich der Protagonist, ein Hase mit menschlicher Kleidung, vom häuslichen Chaos in die Welt getrieben, in einer undurchdringlichen Pflanzenwelt, in einem eisigen Meer und einer unheimlichen Unterwasserwelt zu behaupten. Beim Blättern durch die Bilderbuchgeschichte können wir die vor durchgängig schwarzem Hintergrund leuchtend farbig kolorierten Zeichnungen wie einen Film betrachten. Zu Beginn der Geschichte können wir ein auf der Lehne eines leeren Stuhles platziertes Vogelnest betrachten. Im Nest befinden sich ein Ei und ein Ölzweig, ähnlich […]
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Natura

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1943
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Natura María José Ferrada / Mariana Alcántara (Ill.) Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Konzept und Durchführung der Bilderbuchwerkstatt: Elisa Bauer, Helen Naujoks und Kirsten Winderlich Was nehmen wir wahr, wenn wir in den Wald gehen? Was können wir hören, sehen und fühlen? Das Knacken am Boden, die Stimmung, die uns je nach Tages- und Jahreszeit in einem anderen Gewand erscheint oder die Waldbewohner, und seien sie noch so zurückhaltend? Das mit Hilfe der Japanischen Fadenheftung gebundene Bilderbuch sensibilisiert unsere Wahrnehmung für die leisen, fragilen und flüchtigen Momente, die wir in der Natur erleben können. Vor weißem Hintergrund eröffnet die minimalistische Ästhetik dabei viel Platz für unsere eigene Imagination. Schlanke Baumstämme und Äste mit sich grazil auffächernden Blätterzweigen ragen im Medium der Cyanotypie ins Bild. Das fotografische Verfahren, mit Hilfe dessen die Botanikerin und Illustratorin Anna Atkins Pflanzen dokumentierte, wurde von dem Physiker und Astronom John Herschel Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden. Neben dem in der Cyanotypie typischen Einsatz von »Berliner Blau«, verwendet Mariana Alcántara die Farbe Magenta, die sich aus einer Mischung von Blau und Rot zusammensetzt. Die Magenta-Drucke versteckt die Künstlerin dabei jeweils auf der Innenseite, im Zwischenraum, der gefalteten Papierseiten. Für die Bildkompositionen ist darüber hinaus eine […]
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Kayabu

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Kayabu Eine Geschichte aus Amazonien Eymard Toledo Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Konzept der Bilderbuchwerkstatt: Kirsten Winderlich, Elisa Bauer und Helen Naujoks Durchführung: Elisa Bauer, Helen Naujoks und Gaspar Scholl Chafirovitsch Amazonien sei dort, wo sich alle verstecken, heißt es gleich zu Beginn in einem Tagebucheintrag von der brasilianischen Künstlerin Eymard Toledo. Sie schreibt, dass sich dort Tiere vor anderen Tieren, Tiere vor Menschen, Menschen vor Tieren und sogar auch Menschen vor anderen Menschen verstecken. Rodungen, Raubbau und Rauchwolken nehmen im Regenwald Tieren wie Menschen ihre Schutzräume, ihre Lebensgrundlage, und sind damit für deren Vertreibung verantwortlich. Wie lange wird es Amazonien mit seiner einzigartigen Artenvielfalt, seinen Ureinwohner und ihren Sprachen, seiner satten Farbenpracht und unvergesslichen Fulminanz diverser Geräusche und Klänge wohl noch geben? Eymard Toledo widmet sich dieser Frage mit unmissverständlicher Stimme wie behutsamen Tönen, erzählt die Geschichte von Kayabu und Naná durch farbgewaltige Textil- und Papiercollagen und auktorialen Duktus, der die Perspektive der Beobachtung unterstreicht. Grundlage für das Bilderbuch Toledos sind nämlich ihre Erlebnisse und Erfahrungen auf einer Reise zu der Familie ihrer Freundin Nara, die im brasilianischen Regenwald an einer Flussmündung des Urubu lebt. Die Collagen sind so angelegt, dass sie unsere Wahrnehmung auf charakteristische Aspekte des […]
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DIE BLUMENFRAU

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DIE BLUMENFRAU Eine Begegnung im Alltag Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Durchführung der Bilderbuchwerkstatt: Elisa Bauer, Helen Naujoks und Nadja Hillers Da sitzt sie Tag für Tag und verkauft Blumen. Im Frühling sind es die Maiglöckchen mit ihren saftig grünen Blättern und Tulpen, im Sommer die Wiesenblumen, Kornblumen und roter Mohn, im Herbst die Astern und Dahlien, gespickt mit Hagebuttenzweigen, die sie je nach Jahreszeit behende zu Sträußen bindet. »Die Blumenfrau«, ihren Namen kennen wir nicht, ist Expertin auf ihrem Gebiet und hat dennoch kaum ein Auskommen. Im Winter verkauft sie keine Blumen, sondern sitzt, eingehüllt in Decken, einfach da. »Vor ihr stehen ein Becher und ein kleines Heiligenbild. Sie hofft auf ein paar Münzen.« Anne-Christin Plate ermöglicht mit ihrer Geschichte, die im bewegten Strich ihrer Buntstiftzeichnungen resoniert, eine Wahrnehmung für die Menschen, die, am Rande unserer Gesellschaft, ums alltägliche Überleben kämpfen und von uns kaum bemerkt werden. Darstellungen der städtischen Bebauung aus der Vogelperspektive sowie von den Straßenraum säumenden Zäunen lenken dabei unseren Blick auf ihr Ausgesetzt-Sein. Über die Begegnung zwischen Wanja und der Blumenfrau macht Anne-Christin Plate deutlich, welche Kraft auch noch so kleine Gesten der gegenseitigen Wertschätzung entfalten können. Die Künstlerin vermittelt diese mit Hilfe ihrer feinen […]
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도토리 Acorn 

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도토리 Acorn  Song Hyunju Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Durchführung der Bilderbuchwerkstatt: Elisa Bauer, Helen Naujoks, Moohyun Yang und Kirsten Winderlich Wie ein Film zieht eine abstrahierte Waldszenerie an unseren Augen vorbei, geerdet von einem dunklen und horizontal verlaufenden Band am Fußsteg des Buches. Mit seinem farbigen Blätter- und Blumenfries wirkt dieser wie ein Sockel. Ein ebenfalls dunkelfarbig, jedoch vertikal angelegter Streifen bespielt den Innensteg. Wie ein Baumstamm anmutend, trennt und verbindet dieser die Doppelseite. Flankiert werden Waldboden und Baumstamm von Seitengrenzen sprengenden, silhouettenhaften, wie in leichten Grautönen gehaltenen Bäumen, Blätterzweigen, Vögeln, und Kriechtieren vor weißem Hintergrund. Doppelseite für Doppelseite blicken wir immer wieder auf die gleiche Waldkulisse, vor der sich stets neue Protagonisten ins Bild schieben. Dass diese jeweils eine besondere Rolle spielen, verdeutlicht ihre Kolorierung. So jagt zu Beginn der Geschichte ein Eichhörnchen ins Bild als gerade eine Eichel vom Baum fällt. Wo sie genau landen wird, ist auf der Folgeseite zu entdecken. Denn tatsächlich schnellt aus dem türkisfarbenen, zuvor nicht wirklich identifizierbaren Haufen, gefährlich zischend eine Schlange empor. Klar, dass sich das Eichhörnchen auf den Baum rettet. Gleichzeitig naht ein Nasenbär. Ist er ein natürlicher Feind oder einfach nur neugierig auf Kontakt? Bei genauem Betrachten wird […]
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PARTIR

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Durch Bilder – Zwischen Abschied und Neubeginn Text: Kirsten Winderlich Fotos: Elisa Bauer Durchführung der Bilderbuchwerkstatt: Elisa Bauer, Helen Naujoks und Ines Saydan »Partir« von Anders Holmer ist ein Buch ohne Worte, das die Wirksamkeit von Bildern feiert. Es handelt sich um ein Buch zum und vom Abschied, worauf der schwedische Originaltitel »Farväl« verweist. Folgen wir dem Kind von Seite zu Seite, haben wir teil, wie es sich auf den Weg macht, den gewohnten Alltag verlässt, in fantastische Welten vordringt und am Ende gestärkt zurückkehrt. Der französische Titel »Partir« ist dabei nicht nur als Weggehen zu übersetzen, sondern ist darüber hinaus mit Reise konnotiert. Wie aber werden Abschied und Reise in dem Bilderbuch von Anders Holmer miteinander verwoben? Auf der ersten Doppelseite blicken wir über einen Schnitt in eine Wohnung. In der Mitte sitzt die Mutter in einem Ohrensessel und erhält gerade eine Infusion. Ein Bild an der Wand zeigt, wie die noch langhaarige Mutter fröhlich mit ihrem Kind spielt, und erinnert auf diese Weise an vergangene, noch unbeschwerte, Zeiten. Das Kind sitzt auf der rechten Seite des Wohnzimmers an einem Tisch. Es zeichnet oder schreibt. Auf der linken Seite widmet sich eine ältere Frau, vielleicht die Großmutter, den Topfblumen. […]
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