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Ins Museum!

Über die Museumskarten von Kirsten Winderlich und Mark Lammert Text: Helen Naujoks Fotos: Stefanie Johns Sind es Objekte? Gute Frage. Das weiß ich gar nicht so genau. Unter Objekt habe ich mir noch nie eine Museumskarte vorgestellt. Was aber ist es, wenn es kein Objekt ist? Diese Museumskarte ist auf jeden Fall ein Stück Papier, das gut in der Hand liegt und eine raffinierte Faltung hat. Sie gibt erste Hinweise darauf, was sich darin verbergen könnte ohne gänzlich zu verraten, was genau es ist. Dieses gefaltete Papier funktioniert ein bisschen wie eine Schatztruhe, in deren Schloss schon der Schlüssel steckt, der nur noch umgedreht werden will. Oder wie ein Blick durchs Schlüsselloch selbst, der einen Ausschnitt umreißt, aber eben nicht alles zeigt. Die Karte macht neugierig und möchte entschlüsselt und aufgefaltet werden. Ohne zu viel nachzudenken, lande ich zuerst auf der farbigen Seite und lese die rote, handschriftlich verfasste Beschreibung der Lieblingsfigur einer Person. »Wer ist diese Person, die über ihre Lieblingsfigur schreibt?«, frage ich mich. Sie mag wohl jemand sein, die sich Zeit genommen hat, eine Widmung oder besser eine Liebeserklärung an ein Objekt zu verfassen. Deshalb vielleicht auch die rote Schrift. Ich tauche ein in einen intimen Moment […]
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Vom Sammeln und Imaginieren
Bruno Munari (wieder)entdeckt

Vom Sammeln und Imaginieren
 — Bruno Munari (wieder)entdeckt
 Text: Kirsten Winderlich Fotos: © Bruno Munari. All rights reserved to Maurizio
Corraini s. r. l. Repros: Niklas Boockhoff   Ist das ein Stein oder eine Insel? Oder vielleicht doch ein Stein? »From afar it was an island« (1971/2006) ist ein Fotobuch des Künstlers und Designers Bruno Munari (1907–1998). Es thematisiert einen häufig unterschätzten Aspekt von Bildung, wenn nicht sogar ihren Grund: die Fähigkeit zur Imagination, zur Einbildungskraft, die in Anlehnung an Bernhard Waldenfels (1990) die wahrgenommene Welt als andere erscheinen lässt. (1) Blicken wir auf Munaris Leben und Schaffen, ist dieser Fokus nicht verwunderlich. Als Künstler, geboren im frühen 20. Jahrhundert, war er Teil der futuristischen Bewegung. Sein künstlerisches Schaffen umfasst ein breites Spektrum und hinterfragt dabei immer wieder unsere Alltagskulturen auf humorvolle Weise. So lässt uns Munari auch in seinen Kinderbüchern unsere gewohnten Sichtweisen auf die Dinge der Welt in Frage stellen. Am Strand Sofort beim ersten Blättern durch die Seiten, gefüllt mit Schwarz-Weiß-Fotos von Steinen und Landschaften, treten Kindheitserinnerungen wie eine Ode an das Sammeln zu Tage. Wer kann sich nicht an den glühend heißen Sand unter den Füßen an einem Tag am Meer erinnern? Wer hat keine Steine gesammelt? […]
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Ein Kind verschwindet

Jens Thieles neues Bilderbuch brilliert mit einem Tabuthema: Ein Kind verschwindet. Text: Kirsten Winderlich Der erste Gedanke: Was für eine Katastrophe! Sofort denken wir an Kinder, die plötzlich und unerwartet einfach nicht mehr da sind und von denen Angehörige nie mehr etwas erfahren werden. Wurden sie entführt? Sind sie noch am Leben? Oder sind sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Neben diesen bedrückenden Szenarien gibt es auch positive Beweggründe für das Verschwinden eines Kindes, entwicklungspsychologisch begründete und damit das Kind auch stärkende. Wer kennt den Wunsch nicht aus seiner eigenen Kindheit, einfach einmal weg zu sein, aus Abenteuerlust in die Welt zu gehen, sich dabei zu spüren oder einfach an einem anderen Ort als zu Hause zu sein? Das Fort-Gehen und Fort-Sein kann demnach auch als aus dem Inneren motivierte Lust an der Auseinandersetzung mit dem Anderen und Fremden verstanden werden, als Herausforderung, an der Kinder wachsen, wachsen wollen. Und genau an dieser Schnittstelle bewegt sich Jens Thieles neues Bilderbuch: zwischen der Sehnsucht von Kindern, woanders zu sein, und dem gleichzeitig auch als verunsichernd oder gar beängstigend und bedrohend erlebten Zustand, während der geschützte Raum des gewohnten Alltags – das Zuhause – verlassen wird. Um diese zerbrechlichen Übergänge zwischen innerem […]
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Bild(ungs)prozesse

Die Idee hinter „Mein Buch“ ist es, die Imaginationsfähigkeit der Kinder über Bilder anzuregen und sie dabei zu unterstützen, ins Erzählen und zur Sprache zu kommen. Damit ist „Mein Buch“ auch als ein Gegenentwurf zu gängigen Schulbüchern und Lehrwerken zu verstehen, in denen das Bild häufig nur eindimensional illustriert, was der Text an Inhalten und Informationen vermitteln soll. Welches Imaginationspotenzial steckt in „Mein Buch“? Und wie antworten Kinder auf einzelne Bilder und Bildgeschichten? Wie schaffen sie dabei eigene Bilder und kommen zur Sprache? Ein Beitrag von Prof. Dr. Kirsten Winderlich.
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Mein Buch — Rezension

Fotos: Elisa Bauer Text: Jens Thiele Bilderbücher, die ihre Adressaten aus der Rezeptionshaltung heraus­locken und zur aktiven Gestaltung motivieren wollen, haben es auf dem Buchmarkt traditionell schwer. Sie werden oft in die Sach- und Spielbuchecke gedrängt. Einen ähnlich schweren Stand haben Bilderbücher, deren Illustrationen von Kindern und nicht von professionellen Illustratoren angefertigt werden; auch sie sind auf dem Markt nicht nachgefragt, wie zahlreiche Versuche belegen. Mit diesen beiden Hypotheken geht Mein Buch an den Start, ein Projekt, das in der grund_schule der künste an der Universität der Künste Berlin in Kooperation mit wamiki entwickelt wurde. Es geht um einen offenen, kreativen Umgang mit Sprache und Bildern, mit Buchstaben, Wörtern und Bildzeichen. Es geht um Zugänge zur Bildung durch eigene Erfahrungen mit dem Erzählen von Geschichten. Was zunächst nach einem Lernlesebuch für die Grundschule klingt, ist tatsächlich etwas grundlegend Anderes. Das wird schon am Design deutlich: Man öffnet nicht ein Buch, sondern eine Pappschachtel, in der drei Hefte sowie zwei dicke Buntstifte liegen, ergänzt durch einen Stapel leerer Buchseiten. Heft 1 bietet Ansätze von Geschichten, überwiegend in Bildern erzählt, die Kinder angefertigt haben. Diese Geschichtsanfänge können weitererzählt oder umgedeutet werden, durch eigene Zeichnungen auf freien Heftseiten oder durch Hineinzeichnen in vorhandene […]
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Stian Holes Traumwelten

Von geheimen Orten, Wasserlilien und zarten Gefühlen Text: Kirsten Winderlich „Noch nie habe ich ein Kind gehört, das das Wort Kitsch oder einen ähnlichen Begriff benutzt hätte. Ich glaube, dass Kitsch in der Kinderperspektive nicht existiert. Wenn also heute jemand sagt, meine Traumsequenzen seien nahe am Kitsch, macht mir das keine Angst mehr.“ (Stian Hole 2016) Zeitgenössische Bilderbücher können aufgrund ihrer Geschichten zwischen Bild und Text auf besondere Weise berühren und von Gefühlen erzählen, die so schwer in Worte zu fassen sind. Der mehrfach ausgezeichnete norwegische Künstler Stian Hole ist ein Meister dieses Genres. Er darf einfach in keiner Schule oder Kita fehlen! Bilderbücher von Stian Hole Stian Hole erzählt Geschichten von Kindern und Gefühlen. Es sind die großen Gefühle wie Liebe, Angst, Wut und Trauer, die ihn interessieren, und die er in seinen Bilderbuchgeschichten zum Erscheinen bringt, ohne diese im Text plakativ zu benennen. Vielmehr scheinen es die Erlebnisse der Protagonisten, ihr Denken und Fühlen sowie die subtilen Bilder und poetischen Texte zu sein, die uns involvieren. Holes Bilder zeichnen sich durch eigenwillig digital bearbeitete Montagen aus Fotografien, Zeichnungen und Gemaltem aus. Ein Wechselspiel von realistischen Motiven, surrealen Verfremdungen, ungewöhnlichen Perspektiven sowie Verschiebungen der Größenverhältnisse lassen uns in Traumwelten […]
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Schluckauf-Dada

Text: Kirsten Winderlich Das Bilderbuch „Hick!“, wohlgemerkt mit Ausrufungszeichen, widmet sich dem Schluckauf. Anushka Ravishankar und Christiane Pieper setzen sich in Text und Bild mit dem uns allen bekannten glucksenden Geräusch auseinander, das durch ein reflexartiges Zusammenziehen des Zwerchfells und damit verbundenen ruckartigem Einatmen entsteht. Wir können uns wahrscheinlich alle daran erinnern, welche Gefühle der erste bewusst erlebte Schluckauf bei uns ausgelöst hat. Die Bandbreite reicht von Erschrecken, Beklemmung, Wut und Scham bis hin zu Staunen und Belustigung. Unabhängig davon, in welche Richtung unser Gefühlsbarometer beim Eintreten dieser nur schwer zu kontrollierenden körperlichen Regung ausschlägt, sind wir dem Schluckauf in der konkreten Situation immer ausgeliefert. Das mag auch der Grund sein, weshalb es unzählige Ratschläge und Rituale zu seiner Bekämpfung gibt – und dieses anscheinend weltweit. Den Schluckauf als ein alle Kinder, unabhängig von Herkunft und Kultur, verbindendes leib-sinnliches Phänomen verstehend, führen die Bilderbuchmacherinnen ausgewählte Strategien vor, den „Hick“ in seine Schranken zu weisen. Angeregt von den absurden Versen der indischen Nonsens-Dichterin Anushka Ravishankar visualisieren die mit einem Risographen* gedruckten Bilder von der Illustratorin und Comiczeichnerin Christiane Pieper einen grotesken Möglichkeitsraum zum Umgang mit dem „Hick“ und seinen Folgen. „Jede Illustration ist eine visuelle Überraschung: Eine Seite gibt Anweisungen, auf […]
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Alte Menschen im Bilderbuch

Zwischen Geborgenheit und Verlorenheit Text: Kirsten Winderlich Kinder haben heute immer seltener Gelegenheiten, alten Menschen zu begegnen, mit ihnen Zeit zu verbringen und gemeinsame Erfahrungen zu teilen. Das Zusammensein mit alten Menschen ist vielleicht gerade aus diesem Grund häufig von ambivalenten Gefühlen der Geborgenheit und Befremdung geprägt. Erzählen Bilderbücher von alten Menschen, so tun sie dieses häufig in Bezug auf den Tod. Abschiednehmen, Verlust und Trauer stehen im Vordergrund. Das Eigensinnige des Alters, das Kinder zugleich anzieht und befremdet, rückt in den Hintergrund. Ohne die Bedeutung des Todes in Bezug auf das Thema Alter schmälern zu wollen — ihm gebührt ein eigener Beitrag — möchte der folgende Text auf Bilderbücher Lust machen, die Zugänge zu alten Menschen eröffnen und sie, neben allen Differenzen zwischen Jung und Alt, als Bereicherung erfahrbar machen. Drei Bilderbücher werden vorgestellt, die auf unterschiedliche und eigensinnige Weise über die Begegnung zwischen Kindern und alten Menschen erzählen. Kinderspiele In dem Bilderbuch »Die seltsame Alte« von Adelheid Dahimène und Heide Stöllinger trifft ein sieben- oder achtjähriges Mädchen auf eine alte Frau, die ihm zuerst befremdlich ist, Angst zu machen scheint, im gemeinsamen Spiel jedoch immer vertrauter wird. Das Kind und die Alte spielen das seit Generationen auf der […]
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Neue Impulse für Bildungsprozesse in der Kindheit

Das Zeitgenössische Bilderbuch Text: Kirsten Winderlich Bilderbücher bieten mehr als Motivation, Anschauung und Gesprächsanlass. Oft werden Bilderbücher nur als eine Vorstufe für das spätere eigenständige Lesen betrachtet. Dabei vermögen sie viel mehr: Zeitgenössische Bilderbücher können eigenständige und eigensinnige Bildungsräume in der frühen Kindheit eröffnen. Durch ihre besondere »Sprache« finden Kinder in ihnen vielfältige Anregungen für eine spezifische und aktive Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt. In diesem Sinne knüpft das Zeitgenössische Bilderbuch an das im Kontext aktueller Kindheitsforschung beschriebene Bild vom Kind als eigenständiger und eigenaktiver Mensch, der sich mit seiner eigenen und individuellen Weise mit der Welt und den anderen auseinandersetzt, an. Entsprechend zeigt das Zeitgenössische Bilderbuch Kinder, die mit Hilfe ihrer eigenen Ideen und Phantasie, mit Hilfe ihrer eigenen Kreativität selbstbewusst in der Welt zurechtkommen. Anders das traditionelle Bilderbuch: Hier leben Kinder nur in Begleitung und mit Unterstützung Erwachsener oder in einem eigens für sie geschaffenen und von Erwachsenen geschützten Raum. Darüber hinaus zeichnet sich das Zeitgenössische Bilderbuch durch vielschichtige Bild-Text-Verknüpfungen aus, die anders als im traditionellen Bilderbuch keine der Geschichte primär dienende Funktion innehaben (vgl. Thiele 2000; Kohl 2005), sondern ein »Mehr« an Bedeutungen eröffnen und damit eine Multiperspektivität zulassen. Diese Ästhetik, die für viele Erwachsene wegen ihrer eigenen […]
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Kindsein

Zugänge zum Denken, Handeln und Fühlen von Kindern Text: Kirsten Winderlich Es ist unumstritten, dass die Weichen für das Leben in der frühen Kindheit gestellt werden. Die Art und Weise, wie Kinder in den ersten Jahren aufwachsen, wie sich die Beziehungen zwischen ihnen, ihren Eltern und Begleitern gestalten, trägt maßgeblich dazu bei, dass sich die kleinen Menschen zu selbstbewussten und starken Kindern entwickeln, die in der Lage sind, sich die Welt zu erschließen. Was aber bedeutet Kindsein in der frühen Zeit? In jüngster Zeit fallen zunehmend Bilderbücher auf, die Erwachsenen Zugänge zum Kindsein vermitteln, weil sie vom Spiel kleiner Kinder genauso erzählen wie von ihrer besonderen Verletzbarkeit und ihrem Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit. Verletzbarkeit Wie verletzbar kleine Kinder sind, vermittelt das Bilderbuch »Schreimutter« von Jutta Bauer. Eine Pinguinmutter schreit ihr Kind derart an, dass es daran zerbricht. Wir erfahren diese sich körperlich und seelisch direkt auswirkende verbale Gewalt und ihr Ausmaß aus der Perspektive des Kindes. Die Bilder zeigen, wie die einzelnen Körperteile auseinanderfliegen und sich auf der ganzen Welt verteilen. Der Kopf schwirrt im Weltall umher, der Körper des kleinen Pinguins stürzt ins Meer. Wir wissen, was das bedeutet. Er wird versinken, unauffindbar irgendwo auf dem Meeresgrund liegen. […]
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