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Schluckauf-Dada

Text: Kirsten Winderlich

Das Bilderbuch „Hick!“, wohlgemerkt mit Ausrufungszeichen, widmet sich dem Schluckauf. Anushka Ravishankar und Christiane Pieper setzen sich in Text und Bild mit dem uns allen bekannten glucksenden Geräusch auseinander, das durch ein reflexartiges Zusammenziehen des Zwerchfells und damit verbundenen ruckartigem Einatmen entsteht.
Wir können uns wahrscheinlich alle daran erinnern, welche Gefühle der erste bewusst erlebte Schluckauf bei uns ausgelöst hat. Die Bandbreite reicht von Erschrecken, Beklemmung, Wut und Scham bis hin zu Staunen und Belustigung. Unabhängig davon, in welche Richtung unser Gefühlsbarometer beim Eintreten dieser nur schwer zu kontrollierenden körperlichen Regung ausschlägt, sind wir dem Schluckauf in der konkreten Situation immer ausgeliefert. Das mag auch der Grund sein, weshalb es unzählige Ratschläge und Rituale zu seiner Bekämpfung gibt – und dieses anscheinend weltweit.
Den Schluckauf als ein alle Kinder, unabhängig von Herkunft und Kultur, verbindendes leib-sinnliches Phänomen verstehend, führen die Bilderbuchmacherinnen ausgewählte Strategien vor, den „Hick“ in seine Schranken zu weisen. Angeregt von den absurden Versen der indischen Nonsens-Dichterin Anushka Ravishankar visualisieren die mit einem Risographen* gedruckten Bilder von der Illustratorin und Comiczeichnerin Christiane Pieper einen grotesken Möglichkeitsraum zum Umgang mit dem „Hick“ und seinen Folgen. „Jede Illustration ist eine visuelle Überraschung: Eine Seite gibt Anweisungen, auf der nächsten Seite folgt jeweils eine unerwartete Grafik. Der ‚Überraschungseffekt’ wird von Mal zu Mal größer“, schreibt der Verlag „Tara Books“ mit Sitz in Indien in seiner Handreichung. Und es stimmt: Lässt der Schluckauf trotz der Gegenmaßnahme, einen Eimer Wasser zu trinken und dabei einen Knicks zu machen, alle ins Wasser fallen, scheucht ein Spezialschrei nicht nur die auf einem Baum rastenden Vögel auf, sondern sorgt darüber hinaus dafür, dass dieser seine Früchte und Blätter verliert … Ein Denkertrick in der Mathestunde stellt schließlich das Wort „Hick“ auf den Kopf. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, wie Bild und Text mit dem Schluckauf spielen, wird das Wort doch nicht nur typografisch in die Illustrationen eingebunden, sondern in seiner Wirkungskraft durch Satzzeichen animiert. Und so ist es auch nur folgerichtig, dass sich die Bilderbuchmacherinnen am Ende der Geschichte mit einer Frage, einer Aufforderung und einer leeren Doppelseite an die Kinder wenden und damit eine ästhetisch-künstlerische Sprachbildung anregen, von der die Dadaisten am Nullpunkt der Kinderliteratur nur geträumt hätten: „Na dann. Fallen dir vielleicht noch andere Arten ein, wie man einen Schluckauf loswird? (Hinweis: Je quatschiger, desto besser!)“

*Risographie ist ein im Zylinderdruckverfahren durchgeführtes Schablonendruckverfahren nach Art der Siebdrucktechnik. Das Buch „Hick!“ wurde mit biologischen Tinten Schwarz, Blau und Gelb (auf dem Cover zusätzlich mit Rot) auf Soyabasis gedruckt. Entsprechend des Verfahrens „ist jede Seite ein wenig anders, keine zwei Bücher sind identisch“ (aus dem Impressum des Bilderbuches).

Anushka Ravishankar / Christiane Pieper (Ill.)
Hick!
Tara Books 2017
40 Seiten, durchgehend farbig illustriert, Riso printed
Hardcover, 20 x 20cm
ISBN: 978-93-83145-74-4
€ (D): 16,00