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Natura

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Natura
María José Ferrada / Mariana Alcántara (Ill.)

Text: Kirsten Winderlich
Fotos: Elisa Bauer

Konzept und Durchführung der Bilderbuchwerkstatt: Elisa Bauer, Helen Naujoks und Kirsten Winderlich

Was nehmen wir wahr, wenn wir in den Wald gehen? Was können wir hören, sehen und fühlen? Das Knacken am Boden, die Stimmung, die uns je nach Tages- und Jahreszeit in einem anderen Gewand erscheint oder die Waldbewohner, und seien sie noch so zurückhaltend?
Das mit Hilfe der Japanischen Fadenheftung gebundene Bilderbuch sensibilisiert unsere Wahrnehmung für die leisen, fragilen und flüchtigen Momente, die wir in der Natur erleben können. Vor weißem Hintergrund eröffnet die minimalistische Ästhetik dabei viel Platz für unsere eigene Imagination. Schlanke Baumstämme und Äste mit sich grazil auffächernden Blätterzweigen ragen im Medium der Cyanotypie ins Bild. Das fotografische Verfahren, mit Hilfe dessen die Botanikerin und Illustratorin Anna Atkins Pflanzen dokumentierte, wurde von dem Physiker und Astronom John Herschel Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden. Neben dem in der Cyanotypie typischen Einsatz von »Berliner Blau«, verwendet Mariana Alcántara die Farbe Magenta, die sich aus einer Mischung von Blau und Rot zusammensetzt. Die Magenta-Drucke versteckt die Künstlerin dabei jeweils auf der Innenseite, im Zwischenraum, der gefalteten Papierseiten. Für die Bildkompositionen ist darüber hinaus eine Choreografie des Blätterns tragend, die die magentafarbenen Bildelemente mit den blauen Drucken eins werden lässt. Die Bilder werden durch das Blättern animiert. So erwecken zum Beispiel eine Raupe ein Blatt, ein Reh einen Strauch und ein Bär und ein Eichhörnchen den Waldboden zum Leben. Im begleitenden Text können wir, sinngemäß aus dem Spanischen übersetzt, lesen, dass alles das, was auf einem Blatt geschieht, nur von einem Kind bemerkt werden kann. Entzieht sich demnach uns, den Erwachsenen, wie Käfertierchen entlang einer netzartig verlaufenden Blattader krabbeln, wie sich ein Spinnennetz zwischen den Zweigen aufspannt oder wie ein gehörntes Tier über die Waldlichtung huscht? Seite für Seite ›zeichnen‹ María José Ferrada und Mariana Alcántara im Zusammenspiel poetisch-meditativer Einlassungen und sich stetig transformierender Druckgrafiken ein Bild vor unseren Augen, das uns im Anblick des scheinbar Bekannten aufmerken lässt.

María José Ferrada / Mariana Alcántara (Ill.)
Natura
Alboroto Ediciones 2022
40 Seiten, durchgehend farbig illustriert
Hardcover 22 x 20,5 cm
ISBN: 978-6-079-92777-6
€ (D) 26

Anregungen zur erweiterten ästhetischen Rezeption

Ausgehend von einem Blättern durch die projizierten Seiten des Bilderbuches und einem Lauschen des poetischen Textes in spanischer Sprache, untersuchen die Kinder die einzelnen Seiten in japanischer Fadenbindung mit Hilfe einer Dokumentenkamera. Auf welche Weise verändern sich die Bilder im Blaudruck durch die magentafarbenen Bildeingaben? Welche Erzählungen zeigen sich? Im Anschluss werden die Kinder eingeladen, sich selbst in der Cyanotypie zu erproben und entsprechende Bilder von möglichen Waldspaziergängen zu produzieren. Eine Installation von Ästen und Pflanzen regt zu individuellen Kompositionen an. Ein besonderes Ereignis stellt in diesem Kontext ein raumgreifendes Gemeinschaftsbild dar, in dem die Kinder in der anschließenden gemeinsamen Betrachtung individuelle Sehnsuchtsorte identifizieren.